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Dänemark im Februar 1945: Wie das restliche Land ist auch das kleine Dorf Tinglev von deutschen Truppen besetzt. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass der Krieg sich längst zugunsten der Alliierten gewendet hat und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch Dänemark befreit wird. Das weiß auch die junge Krankenschwester Gerda und versucht deshalb, die letzten Monate des Krieges unbeschadet zu überstehen.
Ihre Geschichte erleben wir in Gerda: A Flame in Winter. Das wunderschöne Adventure im Stil eines impressionistischen Gemäldes stellt uns dabei immer wieder vor harte und folgenschwere Entscheidungen. Wie gut das funktioniert, haben wir für euch beim Anspielen herausgefunden.
Im Mittelpunkt eines Konflikts
1:10Gerda: A Flame in Winter beleuchtet ein dunkles Kapitel dänisch-deutscher Geschichte
Als Tochter eine Dänin und eines Deutschen versteht Gerda sowohl die unter der Besatzung leidenden Dänen wie auch die deutsche Minderheit. Letztere hatte sich bereits vor dem Krieg gewünscht, wieder Teil von Deutschland zu werden. Die Entwickler möchten mit der Erzählung aus Gerdas Perspektive wohl ein ausgeglichenes Bild schaffen und zumindest begrenzt Verständnis für das Handeln der meisten Gruppen und Personen wecken.
Das gelingt über weite Strecken überraschend gut: Das Spiel lässt uns die Not und Ausweglosigkeit des Krieges nachvollziehen. Wir treffen auf Nächstenliebe, Opportunismus und Angst, die Menschen zu Fluchthelfern, Schmugglern und Deserteuren machen. Aber wir erleben auch den kalten und unbarmherzigen Griff der nationalsozialistischen Besatzungsmacht.
Im Tagebuch können wir uns über die Geschichte Dänemarks unter deutscher Besatzung informieren.
Laut den Entwicklern ließ sich Gerda: A Flame in Winter von wahren Begebenheiten inspirieren. Ihre Geschichte hätte wohl auch so stattfinden können. Passend dazu wird die Erzählung im Tagebuch von Gerda mit historischen Fakten über den Krieg, die Besatzung und die Verbrechen des Nationalsozialismus ergänzt.
Schmerzhafte Entscheidungen
Im Verlauf der Geschichte müssen wir vor allem Gespräche führen und dort folgenschwere Entscheidungen fällen. Die führen meistens dazu, dass uns bestimmte Personen oder Gruppen mehr, oder weniger vertrauen. Das kann uns in zukünftigen Situationen helfen oder im Weg stehen. Später beeinflussen dann unsere Entscheidungen auch massiv das Schicksal einzelner Menschen. Die Entwickler versprechen außerdem mehrere Enden und Story-Verläufe für ihr Abenteuer.
Wie gehen wir damit um, wenn vor unserer Klinik deutsche Soldaten mit einem Verletzten auftauchen?
Der Entscheidungszwang wirkt meist auch sehr glaubwürdig: Ressourcen sind wegen des Krieges rar, wir müssen also genau darüber nachdenken, wem wir die letzte Dosis Penicillin überlassen. Deutsche und Dänen misstrauen einander und wir können nicht immer neutral bleiben - insbesondere im Kampf zwischen dänischem Widerstand und Gestapo. Mit seiner - längst nicht so drastischen - Darstellung von Not und Mangel im Krieg erinnert das Spiel teilweise an This War of Mine:
Am Ende jedes Abschnitts schreibt Gerda einen Tagebuch-Eintrag, bei dem wir einen abschließenden Satz auswählen können. Je nachdem, wie unsere Krankenschwester das Erlebte betrachtet, erhalten wir dann einen Punkt für unsere Geistigen Energien
, nämlich Mitgefühl, Einsicht oder Schlagfertigkeit. In Gesprächen können wir diesen Punkt dann etwa einsetzen, um Verständnis für andere aufzubringen oder eine besonders gewitzte Antwort zu geben und so Probleme zu überwinden.
Nach jedem Erlebnis bekommen wir einen Punkt in einer von drei Kategorien, mit dem wir schwierige Situationen meistern können.
Im Verlauf des Spiels können wir uns ganz auf unser Ansehen bei einer Fraktion, wie den Besatzern oder dem Widerstand konzentrieren. Oder wir versuchen es uns mit niemandem zu verscherzen, was allerdings nicht ganz leicht ist. Erschwerend kommt nämlich hinzu, dass Antworten in Gesprächen zwar unseren Ruf bei einer Fraktion erhöhen können, ihn aber gleichzeitig bei einer anderen verschlechtern.
Das gilt auch, wenn kein Mitglied dieser Fraktion anwesend ist. Diese Entscheidung beim Spieldesign bereitete uns ein wenig Bauchschmerzen: Kann es mir der Widerstand wirklich übel nehmen, wenn ich mich vor einem Gestapo-Hauptmann als brave Bürgerin ausgebe? Und wie erfahren die Rebellen überhaupt von meinem Verhalten?
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Gerda: A Flame in Winter - Screenshots zum bildhübschen Adventure mit düsterem Szenario ansehen
Natürlich kann man argumentieren, dass sich Nachrichten in einem kleinen Dorf schnell verbreiten oder der Widerstand Informanten im Gestapo-Hauptquartier hat. Und letztendlich ist es auch verständlich, dass es nicht zu einfach gemacht werden soll, mit allen Fraktionen im Dorf befreundet zu sein.
Der grundsätzliche Eindruck von Gerda: A Flame in Winter ändert sich so auch nicht: Der eines soliden Abenteuers, das vor allem durch seinen einzigartigen visuellen Stil, seine berührende Geschichte und seine schwierigen und folgenreichen Entscheidungen glänzt. Das Spiel soll am 1. September 2022 für den PC und die Switch erscheinen.